Zahlen, Daten und Fakten - alles über die Stadt Leimen
Hauptbereich
Diljemer Frösch
-R. Dorsch-
Der Ortsname St. Ilgen leitet sich vom Schutzheiligen Ägidius her, dem das St. Ilgener Kirchlein geweiht wurde. Die jetzige Gemarkung war ursprünglich ein Stiftungsgut der Speyerer Domkirche und hieß „Bruoch“. Die Erbauung eines dreischiffigen Kirchleins im romanischen Baustil mit den zugehörigen Klostergebäuden wird dem Abt Johannes aus dem Benediktinerkloster zu Sinsheim zugeschrieben. In der Quellensammlung der badischen Landesgeschichte von F. J. Mone findet sich die Chronik des Sinsheimer Klosters in lateinischer Sprache. Dort wird berichtet, dass unter Aufsicht des Abtes das Klösterlein s. Aegidii nahe bei dem Dorf Nußloch, eine Meile von Heidelberg entfernt, erbaut und mit drei Mönchen von Sinsheim betreut wurde. Hier lesen wir auch, dass der Ort Sanct Gilgen im Bruch genannt wird. Das kunstgeschichtlich Bedeutsamste an der Kirche, die zwischen 1158 bis 1170 erbaut wurde, ist das noch gut erhaltene Portal mit Säulen und einfachem Giebel aus rotem Sandstein. Ein in Stein gehauenes Bild schmückt das Tympanon. Es zeigt den auf einem Sessel sitzenden Kirchenpatron Ägidius, der mit seiner Hand einen knieenden Mönch segnet, während an seiner linken Seite ein Mönch seinen Abtstab hält. Im 12. Jahrhundert erhielt das Kloster den St. Ägidii- oder Probsteiwald zugesprochen, der 1525 gerodet und in Wiesen umgewandelt wurde. Ein großer Teil der Klostergemarkung war Wiesen- oder Bruchland, also sumpfiges Gelände, das vom Leimbach, der damals auch Swarzaha genannt wurde, ständig überschwemmt wurde. Bruch ist heute noch eine Gewannbezeichnung, die auf das alte lehmige Bett der Leimen- oder Lehmbach hinweist. Der Leimbach, von Wiesloch kommend und nach Bruchhausen dahinfließend, umfloss die auf einer Erhöhung liegende Klosterkirche mit ihren Gebäuden. Die ausgedehnten Feuchtwiesen und das sumpfige Gelände St. Ilgens waren ein idealer Brutplatz für Frösche, die sich hier recht wohl fühlten und mit ihrem nächtlichen Gequake dem Ort und seinen Bewohnern zum Necknamen Diljemer Frösch verholfen haben. Ob die St. Ilgener in Notzeiten Frösche verspeist haben, ist uns allerdings nicht belegt.
Viele alte Kochbücher verzeichnen Rezepte, die die Zubereitung von Fröschen beschreiben. Das Fleisch der Frösche wird heute noch von manchen Gourmets als Delikatesse angepriesen. Ulrich von Richental verfasste zum Konzil von Konstanz (1414 - 1418), das über die Zukunft der gespaltenen Glaubenswelt beriet und den Prager Reformator Johannes Hus auf dem Scheiterhaufen verbrannte, eine Chronik, die von unbekannt gebliebenen Malern ausgestaltet und ab 1425 verbreitet wurde. Hier zeigt ein Bild die Konstanzer Fischbänke, wo neben Fischen aus dem Bodensee auch Frösche feilgeboten wurden. Das wohl berühmteste Kochbuch der älteren deutschen Kochbuchliteratur stammt aus der Feder des Kurfürstlich Mainzischen Mundkochs Marx Rumpolt: Ein new Kochbuch, das allen Menschen hohen und niedrigen Standes nützen möge. Es wurde 1516 erstmals mit vielen Bildern gedruckt und erlebte mehrere Auflagen. Neben Rezepten erfährt der Leser die vielfältigen Aufgaben der Dienerschaft, nämlich was ein Hofmeister, Marschall, Hausstabel oder Küchenmeister bis hin zum so genannten Vorschneider bei der Zubereitung und Ausführung einer Festtafel zu tun hatte. Auch werden ausführlich Fürsten- und Herrenbankette nach Ständen geordnet bis hin zum Bankett der Bauern sowie deren Speisefolgen beschrieben. Das Kapitel Kellermeisterei, wo Wein-, Bier- und Essigzubereitung behandelt werden, ergänzt die Rezeptsammlung. Marx Rumpolt beschreibt in seinem neuen Kochbuch auch die Zubereitung der Frösche. Die toten Frösche werden enthäutet und ausgenommen. Nur das Hinterteil des Froschkörpers mit den kräftigen Froschschenkeln wird in der Regel als Speise zubereitet. Zum Ausbacken in Butter werden die Froschschenkel gesalzen, gepfeffert und eingemehlt. Anschließend werden sie in einer heißen Pfanne in reichlich Butter angebraten. Wenn die Frösche fein resch seyn, werden sie mit Ingwer bestreut und noch warm serviert.
Will man eine saure Brühe hinzugeben, so nehme man nach dem Rezeptvorschlag des Mundkochs Agrastwasser mit den Beern. Agrastwasser ist eine saure Soße, die aus unreifen Weintrauben bzw. aus Stachelbeeren hergestellt wurde. Weitere Zubereitungsarten, die Marx Rumpolt erwähnt, sind Frösche im Sud, also eine Art Froschsuppe, frittierte Frösche, Frösche in Teigpasteten und gekochte Frösche mit Karpffenschweiß, d. h. mit dem Blut von Karpfen. Wir dürfen annehmen, dass der Mundkoch dem Kurfürsten und Fürstbischof von Mainz diese Froschdelikatessen servierte, nachdem er selbst schrieb: Versuch es (die zubereitete Speise), wie es schmeckt. Denn man muß eine Speise kochen, kosten und versuchen. Ob am Heidelberger Hof auch Frösche auf den Tisch kamen, ist nicht überliefert, jedenfalls hat Liselotte von der Pfalz in ihren Briefen nichts erwähnt; denn sie liebte herzhafte, kräftige Gerichte wie den berüchtigten Specksalat, ein Krautsalat mit viel Schweinespeck. Auf „Diljemer Frösche“, die man dem Küchenmeister in die Schlossküche als anrechenbare Naturalsteuer der St. Ilgener hätte liefern können, hatte der kurfürstliche Hof zu Heidelberg keine Lust. Alle Kurfürsten der Kurpfalz huldigten ausgiebig der Jagd und betrieben die Fischzucht. Frösche zu jagen, war ihnen nicht in den Sinn gekommen. Heute sind die ehemaligen Feuchtgebiete St. Ilgens verbaut, der Leimbach in ein eigenes Flussbett geleitet worden, so dass der Lebensraum für die „Diljemer Frösch“ verloren ging.